< Previous31 er verlorene Erste Weltkrieg, die Revolution und der Umbau der Gesellschaft zur Weimarer Republik wirkten sich auch auf den Lindauer Segler-Club aus. 1919 gehörten die Clubmitglieder im Wesentlichen zum Bürgertum oder waren Großbürger. Diese Gesellschafts- schicht verlor mit der Wirtschaftskrise in den Zwanzigerjahren ihre wirtschaftliche Grundlage. Mitten in der Wirtschaftskrise baute der LSC sein neues Clubhaus. In den Dreißigerjahren kamen auch Angestellte und Handwerker in den Verein, die Jugend bestand nicht mehr nur aus Gymnasiasten. Zu Beginn der Weimarer Republik hatten Clubhaus und Schiffe den Krieg ramponiert überstanden, die Leute hatten Wichtigeres zu tun. Die Mitgliederzahl sank im Jahr 1919 auf nur noch 102 (1914: 133). Der aus dem Krieg zurückgekehrte Robert Doerr über- nahm wieder die Clubführung, die in der langen Pau- se ausgetrockneten Holzschiffe kamen im Frühjahr ins Wasser. Die „Bayern“ und die „Allwind“ mussten tagelang gelenzt werden, der „Sturmvogel II“ ging gar zwei Mal im Hafen unter. Es fällt auf, mit welcher Intensität die Schiffe gesegelt wurden. Es scheint, als ob die LSC-Mitglieder die ausgefallenen Fahrten der kriegsbedingten fast fünfjährigen Unterbre- chung mit Macht nachholen wollten. Die Tabelle in der Chronik zum 75. Geburtstag weist für das Jahr 1919 532 Fahrten auf. Bayern 38 Allwind 72 Melita 105 Frechdachs I 122 Sturmvogel II 195 Bei einer angenommenen Segelsaison vom 1. März bis 31. Oktober mit insgesamt 245 Tagen bedeutet das, dass der „Sturmvogel II“ fast jeden Tag bewegt wurde. „Bayern“ und „Allwind“ brauchten deutlich mehr Mannschaft. Bei rund 34 Wochenenden in diesem Zeitraum muss also die „Bayern“ jedes Wochenende belegt worden sein, die „Allwind“ noch häufiger. Die Schiffe brauchten Besatzung: Der pensionierte Hauptmann Rinecker machte 108 Ausfahrten, Fräu- lein Beyer kam auf 81, Herr Sprattler auf 79. Über 100 Ausfahrten bedeutet: während der Saison jeden zweiten Tag auf dem See gewesen zu sein. Es gab also ein großes Interesse am Segeln, auch wenn die Schweizer Grenze nicht überfahren werden durfte und Nachtfahrten verboten waren. Dieses Interesse zeigte sich auch bei den Mitgliederzahlen. In nur drei Jahren bis 1922 verdreifachte sich die Zahl der Mitglieder von 102 auf 340. Der LSC ist in erster Linie ein Freizeitvernichter. In zweiter Linie mein Wohnzimmer. Axel Diederich Vorherige Seite: Der LSC-Hafen bei Südwind. Vermutlich 1926 Die LSC-Jugend beim Kutterpullen unter Anleitung von Rupert Hofstetter. Dreißigerjahre Die „Allwind“ des LSC. Dreißigerjahre Für eine Segelreise 1921 musste noch die Aus- und Wiedereinreise genehmig werden.33 Damit war auch der Platz im Kleinen Clubhaus auf der Mole zu eng geworden. Die Vorstandschaft woll- te das Häuschen abbauen und vergrößert auf dem aufgeschütteten Gelände östlich der Römerschanze wieder aufbauen. Die Mitglieder stimmten in einer außerordentlichen Generalversammlung im Mai 1922 jedoch für einen Neubau, die Vorstandschaft trat zurück, wurde aber sofort wiedergewählt. Der Stuttgarter Architekt Theodor Bulling zeichnete ein neues Clubhaus, der Bau wurde aber schwie- rig. Die Inflation machte sich bemerkbar, der Club musste viele Bettelbriefe schreiben. Für den Verein hatte die Inflation aber auch eine positive Seite: Er besaß ein neues Clubhaus und war praktisch schuldenfrei. Die Gläubiger stimm- ten zu, die gesamten aufgenommenen Kredite in Schenkungen umzuwandeln. De facto waren sie ja auch nichts mehr wert. Auf der anderen Seite litten die Mitglieder unter der Inflation. Wirtschaftlich ging es vielen schlecht. Ihre Zahl sank von 340 (1923) auf 198 (1928). Deutlich zeigt sich dies auch im Fahrtenbuch. Bis 1921 sind Jahr für Jahr über 500 Fahrten verzeichnet, 1923 sind es nur noch 216. In diesem Jahr 1923 gab es auch Verhandlungen mit dem Königlich Bayeri- schen Yacht-Club in München/Starnberg. Der LSC hatte kein attraktives, wirtschaftlich starkes Hinter- land. Den Münchner Seglern sollte der Bodensee schmackhaft gemacht werden, mit dem bayrischen Hafen Lindau. Daraus wurde aber nichts: Der KBYC verlangte, dass der LSC auf Namen und Stander verzichten und als ‚Abteilung Bodensee‘ im Baye- rischen Yacht-Club aufgehen sollte. Die Bedingung wurde in Lindau als unannehmbar empfunden. Die Währungsreform im darauffolgenden Jahr brachte Stabilität. Bei Minn wurde ein 60 qm Nati- onaler Kreuzer gebaut, dazu kamen zwei 45er. Die „Allwind“ bekam eine neue Inneneinrichtung und 1925 auch ein neues Rigg. Im Jahr 1924 gab es aber noch einen weiteren Höhepunkt für den Lindauer Segler-Club. Der Ehrenkommodore Kronprinz Rupprecht von Bayern besuchte zu Pfingsten den LSC. Das ursprünglich für Seine Königliche Hoheit vorgesehene Geschwa- dersegeln fiel der Bodensee-Flaute zum Opfer. Da- für gab es eine Motorbootfahrt zum Schweizer Ufer. 1924-1925 wurde die Mole mit Beton standfest gemacht. Ab 1929 kämpfte der LSC mit der Weltwirtschafts- krise. Die Mitgliederzahlen sanken, die Schulden wuchsen. Der Ausschuss (Vorstand) des LSC emp- fand den Schuldenstand von 17.000 Reichsmark als zu hoch. Es wurde bei den Clubmitgliedern eine An- leihe über 8.000 Reichsmark aufgelegt, die ab 1930 in zehn gleichen Jahresraten getilgt werden sollte. Ganz spontan gesagt – der LSC ist meine Heimat. Max Kohlhund „Bayern“ und „Allwind“ bei einer Segelreise im Hafen von Meersburg. Das Bild stammt von einer Postkarte, nach 1932. Die „Bayern I“. Der LSC Hafen. „Stella“ (08), „Allwind“ (80), „Bayern“, „Audifax“ (K22), „Tamino“ (P100), „Melita“ und die Küstenjollen. Erich Hermann erinnert sich, es sei eine Ehre gewesen, auf der „Stella“ mitfahren zu dürfen. Sonn- tagmorgens wurde auf dem Schiff gefrühstückt. Und er habe als 14-Jähriger steuern dürfen. Nach 1933 Kronprinz Rupprecht von Bayern besuchte den LSC an Pfingsten 1924. Den Ehren- kommodore empfing der 1. Vorsitzende Robert Doerr. 35 Ab diesem Jahr 1930 baute der Marineverein Lindau sein neues Clubheim, heute ist es in direkter Nach- barschaft das Haus der Wasserwacht. Zwei Briefwechsel fallen in der Zeit der Zwanziger- und Dreißigerjahre auf: Es scheint sich bis zum heutigen Tag nicht allzu viel geändert zu haben. Deutsches Hauptzollamt und Hafenkommissariat, Lindau, den 15. August 1926 „Der Unfall, den die Klubjacht Melita am 18. v. Mts. abends unter der Führung des Herrn Wolf Panizza vor dem Hafen Lindau in der Nähe des Schlagwerks erlitt, ist in der Hauptsache darauf zurückzuführen, daß das Schiff kein Licht an Bord hatte und darum nicht in der Lage war, nach Eintritt der Dunkelheit ein solches zu zeigen.“ 18. Mai 1934 Bekanntmachung des 1. Bürgermeis- ters als Hafenkommissär, Dr Siebert: „Wiederholt wird darüber geklagt, daß von Insassen von Ruder- und Segelbooten die Vorschriften der Schiffahrts- und Hafenordnung für den Bodensee nicht beachtet werden. Den in den Hafen einlaufen- den und aus diesem auslaufenden Motor- und Dampfschiffen müssen Motorboote, Ruder- und Segelboote, ferner die im See badenden Personen auf eine Entfernung von mindestens 50 Metern ausweichen. […] Bei Dunkelheit haben Ruder- und Segelboote ein weisses Licht […] zu führen.“ Anfang der Dreißigerjahre verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage weiter, die deutschen Segel- vereine mussten einen Mitgliederschwund von etwa einem Drittel hinnehmen. Trotzdem konnte der LSC einen geordneten Clubbetrieb aufrecht erhalten. 1931 kaufte der LSC die „Bayern I“, die „Yachtgesell- schaft im L.S.C.“ war auf zwei Personen zusammen- geschrumpft – die Bankbeamten Sostenes Sailer und Jakob Egg. Die beiden hatten der Gewerbe- und Landwirtschaftsbank Lindau die „Bayern“ als Sicherheit übertragen, es drohte die Zwangsverstei- gerung. Die Bank unterschrieb den Kaufvertrag am 19. Dezember 1931, der LSC am 24. Dezember. 1932 wurden Fahrtengelder für Segelreisen auf Club- booten erhoben. Eine Mark pro Person und Tag. Die „Allwind“ vor Meersburg. Eine ganz frühe Farbaufnahme. 1939 Segeltrocken im Club. Der LSC hatte einen Bootsmann. Dessen Aufgabe war unter anderem, die Segel zum Trocknen zu hissen und wieder zu versorgen. 19313637 Die Segel haben auch schon bessere Zeiten gesehen. „Spazzo“ (61) 7mR-Yacht, „Bodan“ (H6) 8mR-Yacht, „Ayesha“ (K18) 6mR-Yacht, „Ekkehard I“ (72) 7 SL-Yacht. Bei der Jubiläumsregatta 25 Jahre Badischer Yacht-Club Überlingen. 1934 Der „Bodan“ bei derselben Regatta. Der LSC-Hafen. Vorn „Bodan“, dahinter die Sonderklasse „Orion“ und die drei Küstenjollen. Nach 1937 Die „Bayern II“ Die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten änderte anfangs für den Club nur wenig, wenn auch sämtliche Sportvereine und Sportverbände gleichgeschaltet wurden. Es galt das Führerprinzip: Aus dem ersten Vorsitzenden Dr. Robert Doerr, der sich zum Nationalsozialismus bekannte, wurde der Vereinsführer. Im Archiv des LSC gibt es nur wenige Unterlagen über diese Zeit. Was an Briefen vorhanden ist, wur- de häufig nicht mit „Heil Hitler“, sondern mit „Deut- schem Gruß“ oder „Gode Wind“ unterzeichnet. 1937 erwarb der Club die „Bodan“ vom Badischen Yacht-Club Überlingen für 1.655 Mark, samt Zube- hör und Beiboot. 1939 trat Dr. Robert Doerr vom Amt des Vereinsfüh- rers zurück. 25 Jahre lang hatte er den Verein gelei- tet und über schwierige Zeiten gebracht, er wurde einstimmig zum Ehrenvorsitzenden gewählt. Neuer Vereinsführer wurde 1939 der zweite Vorsitzende, Dr. Ludwig Schlechter. Die Mitgliederzahlen im LSC stiegen wieder, allerdings musste der LSC auf sein kleines Clubhaus verzichten. Das Deutsche Reich übernahm das Gebäude für 5.000 Reichsmark. Der Club konnte noch während der Bodenseewo- che im August 1939 sein fünfzigjähriges Jubliäum feiern. Am Festabend im Bayerischen Hof nahm mit Raimund Kinkelin eines der Gründungsmitglieder teil. Kurze Zeit später begann der Zweite Weltkrieg. Am 3. September 1939 erging die Anordnung, sämtliche Seefahrzeuge unverzüglich sicherzu- stellen. Am 4. September räumte der LSC den Hafen. Die Boote kamen überwiegend zu Minn ins Winterlager. Ein Jahr später, Anfang September 1940, wurde das Segelverbot aufgehoben, der „Knurrhahn“ kam noch ins Wasser, wurde aber wegen des schlechten Wetters nur wenig gesegelt. Einige Clubmitglieder verkauften ihre Boote, um die hohen Winterlager- kosten zu vermeiden. 1941 wurde das Segeln erneut erlaubt, „Allwind“, „Melita“ und „Möve“ kamen ins Wasser. Im Logbuch sind 241 Fahrten verzeichnet. 1942 hätte theoretisch gesegelt werden können, Clubhaus und Segelhafen waren aber mit einem Pionierbataillon belegt, das vereitelte die Nutzung von Hafen und Haus. Erst als das Militär abrückte, konnte der Segelbetrieb wieder aufgenommen werden. 1943 war Segeln möglich, bis am 1. Oktober ein Fahrverbot für Sportfahrzeuge auf dem See verhängt wurde. 14 Clubmitglieder kamen aus dem Krieg nicht mehr zurück. Ein wunderschöner Club. Er macht eine gute Jugend- arbeit Detlev Köster38Die Grundlagen für heute Wiederaufbau bis 1989 39Next >