< Previous20Rechnungen für den LSC aus der Kaiserzeit: der Clubname in verschiedenen Schreibweisen. Trotz neuer Schiffe durchlief der LSC in den ersten Jahren eine gefährliche Entwicklung und stand zwei Mal kurz vor der Auflösung. Zwischen 1897 und 1899 kamen nur noch sechs bis acht Mit- glieder zur Generalversammlung. Und auch die Mitgliederzahlen sanken bis zum Jahr 1903. Auf der Hauptversammlung am 4. Mai 1899 beschrieb Max von Mayer-Starzhausen die Lage dramatisch: „Die geringe Zahl der sich am Segelsport aktiv beteiligenden Mitglieder, die große Lustlosigkeit am Segelsport im allgemeinen, die jährlich immer mehr Opfer fordernden Reparaturen des Boots- materials und der im Gegensatz dazu stehende klägliche Zustand des Reservefonds sowie die im Laufe des Vereinsjahres 1898/1899 erfolgten Austrittserklärungen, denen zweifellos noch mehr folgen werden, all diese Momente lassen nur zu deutlich auf die früher oder später eintretende Lebensunfähigkeit des Clubs schließen.“ Zum Glück konnte der LSC die Flaute durchste- hen. Ab dem Jahr 1903 stiegen die Mitgliederzah- len wieder. Die Söhne der Gründungsmitglieder begannen sich fürs Segeln zu interessieren. Auch aus der Beamtenschaft kamen neue Segler. 1905 gab der Club beim Bootsbauer Wenhart mit dem „Sturmvogel II“ einen Neubau in Auftrag. In der Größe einer alten 6mR-Yacht mit Sluptakelung und Gaffelrigg. In diesem Jahr 1905 gab es auch die erste Regatta auf dem Bodensee. Der LSC und der Bregenzer Segel-Club richteten sie gemein- sam vor Lindau aus. Am 21. Mai war Start und Ziel vor dem Pulverturm. Zehn Meldungen, acht Boote starteten, eingeteilt in vier Klassen. 1907 ersetzte Hermann Naeher die abgewrackte „Möve“ durch die legendäre „Rheingold“, eine 8 Segellängen-Yacht aus Berlin, etwa in der Größe eines 45er Nationalen Kreuzers. Auch dieses Boot stellte er dem Club zur Verfügung. Ein Jahr später gab es schon die Pläne für ein neues, weiteres Boot nach der damals neuen Meter-Formel, aller- dings war die Beschaffung nicht so einfach: die erste „Allwind“. Der Takelmeister, Schiffsbauinge- nieur Arnold Müller, warb auf der Hauptversamm- lung 1908 für eine 8mR-Yacht. Er fand aber keine Mehrheit, es fehlte das Geld. Später, im Oktober 1908, wurde eine freiwillige Zeichnungsliste über 8.700 Mark aufgelegt, mit 3.000 Mark an der Spit- ze stand der Besitzer von Schloss Allwind, seine Exzellenz Staatsrat Leopold König. Ihm zu Ehren wurde das Schiff „Allwind“ getauft, am 29. Juli 1910 kam sie auf der Bootswerft Minn bei Reu- tenen ins Wasser. Gleichzeitig ließ sich König bei Minn eine 6mR-Yacht bauen: die „Melita“. Auch dieses Schiff bekam der Club überlassen, nach Ein Stück Heimat. Fritz Daschner 212223 Der „Sturmvogel I“, an der Pinne der Rechtspraktikant Adolf Weber. Die „Möve“ an der Boje. Im Hintergrund der hölzerne Werftsteg der Schiffswerft und eine Dampframme. „Sturmvogel II“. Eine Ausgleichsyacht des Clubs. Königs Tod schenkte seine Witwe dem Club das Schiff. Es wird noch heute im LSC gesegelt. Und der Verein hatte seine Durststrecke überwun- den. 1908 waren 77 Mitglieder registriert, 1912 waren es 121. In diese Zeit fällt eine zweite, bedeutende Ent- wicklung für den Club: Die Stadt baute einen Güterhafen. Mit der Errichtung des königlich-bay- rischen Rentamts/Finanzamts 1909 am Bret- termarkt konnten die Frachtschiffe im östlichen Seehafen nicht mehr entladen. Außerdem musste die Dampferhafen-Einfahrt ausgebaggert wer- den. Mit dem Aushubmaterial wurde der alte Segelhafen aufgeschüttet. Auf der neu gewonnen Fläche stehen heute die Liegewiese im Römerbad, die Wasserwacht, das große Clubhaus und das Wapo-Gebäude. 1911 war der Hafenbau abgeschlossen, der Club bekam Liegeplätze innerhalb innerhalb der höl- zernen Mole. Und es wurde am Ende der damals 60 Meter langen Mole das neue Clubhaus (unser jetziges Kleines Clubhaus) gebaut. Finanziell hatte der Verein seine Belastungsgrenze erreicht: Er musste die geliebte „Rheingold“ verkaufen, der Erlös von 2.600 Mark ging in die Hafenanlage und das Clubhaus. Ein Jahr später schlossen sich dann neun Herren zu einem Konsortium zusammen, der „Yacht-Ge- sellschaft des L.S.C.“. Ihr Ziel: die Beschaffung regattafähiger Yachten. Als erstes erwarben sie die 1912 bei Max Oertz erbaute 8mR-Yacht „Ma- riechen“ und benannten sie in „Bayern“ um. Oertz war die renommierteste Yachtwerft im Kaiserreich. Bei der ganzen frühen Clubgeschichte fragt man sich: Wie lernten die Leute damals segeln? Die Schiffe waren komplizierter, das Material bei wei- tem nicht mit heutigem vergleichbar. Die Beschlä- ge wurden zum Teil selbst gebaut. Die Tücher wa- ren aus Leinen oder Mako-Baumwolle, die Leinen aus Hanf – sie konnten halten oder auch nicht... Die Clubyacht „Sturmvogel“ riss sich am 15. Juni 1890 nachts von der Boje los und kollidierte im Werfthafen mit dem nagelneuen Dampfer „Prinz- regent“. Gut zwei Monate später machte sie sich erneut selbständig (man sprach von Sabotage) und trieb unter die Landtorbrücke. Der Mast hielt, holte aber das Geländer auf zehn Metern Länge herunter und verfehlte zum Glück die neue städti- sche Gasleitung. Es war aber nicht immer das Material schuld. Unter den Gründungsvätern gab es nur zwei, die segeln konnten: zum einen Max von Mayer-Starz- hausen. Er gehörte zur Crew des Prinzen Heinrich Ich war eigentlich ein kränk- liches Bürschle – das Segeln im LSC gab mir Stabilität und Selbstvertrauen. Rainer Niemann2425 Der „Sturmvogel I“ mit Yawl- Takelage und Gaffelrigg vor dem Frauenbad, vor dem Umbau. 1894 Mit dunklem Rumpf der „Sturmvogel I“, bereits zur Slup mit größerem Großssegel um- gerüstet. Mit weißem Rumpf die „Möve“. Auf der „Rheingold“. Links der Student Max Wolf, dahinter stehend Adolf Kimmerle jun., im weißen Hemd Arnold Müller, Takelmeister und Konstrukteur, die beiden Buben sind Auer und Gutermann jun. 1907 Mit der Nummer 81 die „Rheingold“ in einer Regatta. Bei einem Oststurm führte die Wettfahrt von Überlingen nach Konstanz und zurück. 1909 Bodenseewoche. Mit der Nummer 70 die 7 SL-Yacht „Freya“ (BSC), ex „Anita II“ (LSC) und mit Nummer 60 die 6mR-Yacht „Elfe I“ (BSC). 1911 Die „Rheingold“ eingerefft mit Frau Oberstleutnant Hofmann, Max Spengelin und Frl. Klara Stolze. von Preußen, segelte auf der Viermastbark „Olga“ nach Ostasien und Amerika. Die Marinestation der Nordsee schickte den gestandenen Seemann auf Bitten der bayerischen Staatsregierung. Er sollte die Dampfschifffahrt auf dem bayrischen Bodensee seemännisch organisieren und betrieb zusätzlich die Gründung des LSC. Der zweite Seemann war Burgess Watson, der das Segeln bei der Royal Navy gelernt hatte und die Jugend des LSC im Kutterpullen unterwies. Es gab schon früh erste Versuche systematischer Jugendarbeit, aber oft brachten sich die ersten Segler Wenden und Halsen sowie das wichtige Ankern per Versuch und Irrtum bei. Und lernten vor allem aus den Irrtümern. So strandete die „Möve“ am 24. September 1896 vor Bad Schachen. Drei junge Herren und ein Gast hatten vor dem Hafen bei Südsturm gean- kert. Der Anker hielt nicht, die „Möve“ wurde gegen die Mole geworfen. Die Übeltäter mussten bei Hermann Naeher beichten. Der Eigner gab die Reparatur beim Bootsbauer Wenhart in Auftrag und verbot die Segelei nach Schachen, das sei dem Boot bereits zum zweiten Mal zum Verhäng- nis geworden. „Mein Wunsch war und ist immer gewesen, daß junge Kräfte dem Club beitreten möchten, um den Sport in Aufschwung zu brin- gen, aber mit dem Kleben am Ufer ist der Sache nicht gedient, auch die Boote nicht geeignet.“ Und es gibt später noch ein weiteres Schreiben der Königlich Württembergischen Dampf- schiffahrfts-Inspektion Friedrichshafen an den LSC vom 16. Februar 1914, quasi eine Ermahnung zu Saisonbeginn. Der Brief wirft ein Licht so- wohl auf die Unfälle als auch auf das nicht immer ganz stressfreie Verhältnis zwischen Seglern und Dampferkapitänen: „Es sind in den letzten Jahren wiederholt den Dampfschiffahrts-Inspektionen durch die Kapitä- ne Klagen zu Ohren gekommen, daß die jetzt in größerer Anzahl auf dem Bodensee verkehrenden 2627 In der Nacht vom 6. auf den 7. August 1905 sank die „Möve“ an der Boje. Ursache unbekannt. Bootsbauer Wenhart (2. von links, mit Hut und Weste) hat sie geborgen. Von einer zufällig im Hafen liegenden Lädine wurden Drahttaue unter dem Rumpf der „Möve“ durchgezogen und das Schiff gehoben. 1905 Die „Klein Anita“ von Arnold Müller. Im Hintergrund der alte Werftsteg der Kgl. Schiffswerft. Segelboote und Motorboote die zum größten Teil den Segelklub’s angehören, nicht die wünschens- werte Rücksicht auf den Dampfschiffverkehr nehmen. Diese geringe Rücksichtnahme zeigt sich teils darin, daß die Segelboote den Schiffen, die sich unter Land von einer Anlandestelle zur nächsten begeben, so in den Weg fahren, dass letztere zum Ausweichen gezwungen sind, oder sie fahren so nahe heran an die Schiffe, bis die Kapitäne im Begriff stehen, auszuweichen. Wenn letztere das Manöver nun ausführen wollen, gehen die Boote im letzten Augenblick über „Stag“, so daß das beabsichtigte oder gar begonnene Ma- növer rückgängig gemacht werden muss. Durch diese unnötigen Belästigungen der Schiffe wird Unsicherheit […] erzeugt. […] Es wird daher das ergebenste Ersuchen gestellt, die Herren Segler auf dies Mißstände hinzuweisen und sie zu ersu- chen, der Bodensee-Dampfschiffahrt durch eine größere Rücksichtnahme in der Ausübung ihres Dienstes etwas mehr Entgegenkommen zu beweisen. […] Die Dampfschiffahrts-Inspektio- nen glauben umsomehr Veranlaßung zur Stellung dieses Ersuchens zu haben, als von den Dampf- schiffen aus in jedem Jahre eine größere Zahl Personen von gekenterten Ruder- und Segel- booten gerettet werden.“ Trotzdem hatte sich der LSC zu einem etablierten Verein entwickelt. Im Jahr 1914 geruhte Seine Majestät König Ludwig III. von Bayern dem LSC als Kommodore vorzustehen. Der Club machte einen Bückling: „Mit untertänigster Dankbarkeit hat der Lindauer Segler-Club die ihm von Seiner Majestät dem König, dem eifrigen Förderer des Segelsports, erwiesene hohe Gnade entgegen- genommen.“ Ebenfalls im Jahr 1914 wollte der LSC sein 25-jäh- riges Bestehen feiern. Aber die Jubiläumswettfahrt bei der Bodenseewoche im September konnte nicht mehr stattfinden. Der Weltkrieg verhinderte dies, am 1. August war die Mobilmachung. Am 4. August wurde das Motorboot „Aida“ an das Militär abgeliefert. Anschließend mussten die Segelboote ins Winterlager: „Allwind I“, „Melita“, „Sturmvogel II“. Dort blieben sie für die nächsten vier Jahre. Der Krieg verhinderte den Segelbe- trieb, zur 28. Mitgliederversammlung am 21. Juli 1917 kamen nur noch sieben Mitglieder, 1918 fiel die Hauptversammlung aus. Die Menschen hatten andere Sorgen. Elf Clubmitglieder fielen im Ersten Weltkrieg. Freizeit – früher habe ich mich im Haus vergraben – jetzt gehe ich segeln und genieße die Kameradschaft. Harald Störr28Aufstieg und Krise Zwischen den Kriegen 29Next >